Upcoding durch Arzt als Beihilfe zur Untreue

Aktuell laufen einige Ermittlungsverfahren gegen Ärzte wegen sog. „Upcodings“, d.h. der Diagnose einer schwerwiegenderen Krankheit, um einer gesetzlichen Krankenkasse höhere Zuweisungen zu sichern. Ist ein Upcoding für den Arzt eigentlich strafbar?

Wettbewerb zwischen Krankenkassen

Um den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen gerechter zu gestalten, wurde 2009 der sogenannte morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) eingeführt. Der Morbi-RSA zielt auf die Entlastung der Krankenkassen ab, bei denen übermäßig viele ältere sowie (chronisch) kranke Menschen versichert sind. Schließlich fallen bei diesen Versicherten höhere Kosten – etwa für Medikamente, Behandlungen und Operationen – an als bei der Gruppe vorwiegend junger und gesunder Versicherter. Da in Deutschland das Prinzip der freien Krankenkassenwahl besteht, haben die Kassen wiederum nur bedingt Einfluss auf die Struktur ihrer Klientel. Hieraus resultiert das Bedürfnis, einen Kostenausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen herzustellen.

Upcoding: Arzt wegen Beihilfe zur Untreue gegenüber der Krankenkasse strafbar

Upcoding kann für den Arzt eine Beihilfe zur Untreue darstellen und deshalb strafbar sein

Upcoding für Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds

Dieser Ausgleich erfolgt durch Zuweisungen an die gesetzliche Krankenkasse aus dem Gesundheitsfonds, der sich aus Versicherungsbeiträgen und Steuergeldern zusammensetzt, wenn Ärzte eine Diagnose für eine Erkrankung an die Kasse übermittelt haben, deren Behandlung als besonders teuer gilt. Die Diagnose der Ärzte werden mittels ICD-10-Kodierung verschlüsselt an die Krankenkassen weitergegeben und entsprechend klassifiziert. Vereinfacht gesagt gilt also: je kränker ein Patient, desto mehr Geld erhält die Krankenkasse aus dem Solidartopf. Von dieser Umverteilung der finanziellen Mittel profitieren demnach vor allem die Krankenkassen, deren Versicherte vergleichsweise schwerwiegendere Diagnosen erhalten.

Dass dieses Umverteilungssystem gewissen Wertungsspielräumen mit Blick auf die gestellten Diagnosen und die entsprechende Kodierung unterliegt und damit anfällig für Manipulationen und Missbrauch ist, liegt auf der Hand. Namentlich eröffnet der Morbi-RSA das Risiko, der Einflussnahme der Kassen auf die Diagnosekodierung der Ärzte: so wird etwa aus einer kurzfristigen Erschöpfung eine Depression oder statt leichtem Bluthochdruck wird ein schwerer diagnostiziert und so an die Krankenkasse übermittelt.

Ist Upcoding als Arzt strafbar?

Wenn Mitarbeitende von Krankenkassen Ärztinnen und Ärzte kontaktieren und diese anhalten, bei der Abrechnung von Behandlungen eine schwerere Diagnose als tatsächlich festgestellt anzugeben beziehungsweise nachträglich zu prüfen, ob nicht auch eine höhere Kodierung für die bereits gestellte Diagnose in Betracht kommt, dann besteht von Seiten der Verantwortlichen der Krankenkassen ein Strafbarkeitsrisiko wegen Untreue gemäß § 266 StGB und hinsichtlich der Ärzte wegen Beihilfe zu dieser Untreue. Der Vorwurf in dieser Konstellation besteht darin, dass sich die Kasse mittels Upcoding mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds erschlichen hätte, als ihr eigentlich zustünde, sodass die anderen Krankenkassen finanziell benachteiligt seien.

Es gilt bei diesem Vorwurf abzugrenzen, ob Patienten auf dem Papier kränker gemacht werden sollen als sie in Wirklichkeit sind, oder ob die Krankenkasse – unterstützt durch die behandelnden Ärzte – sicherstellt, dass sie korrekte Einnahmen für die Versorgung ihrer Versicherten erhält. Denn wenn Ärzte nachträglich richtige Diagnosen melden oder bereits mitgeteilte Diagnosen weiter plausibilisieren und diese Erkenntnisse nicht in die Abrechnung einbezogen werden, besteht schließlich die Gefahr einer systematischen Benachteiligung der Krankenkassen mit vielen leistungsintensiven Versicherten.

Nachschieben von Diagnosen als datenschutzrechtlicher Verstoß?

Bei Diagnosen handelt es sich um Sozial- und Gesundheitsdaten der Versicherten, die nicht ohne besondere Rechtsgrundlage erhoben werden dürfen. Erfolgt durch den Arzt eine nicht gerechtfertigte Übermittlung dieser Daten an die Krankenkasse besteht für die Ärzte – trotz etwaiger Aufforderung durch die Krankenkasse – neben dem Vorwurf der Untreue auch ein Strafbarkeitsrisiko nach § 42 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz. Das Nachschieben der durch Upcoding veränderten Diagnose ist dann rechtswidrig.

Verhalten im Ermittlungsverfahren

Gerät ein Arzt wegen Nachschiebens von Diagnosen in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden, wird er eine Vorladung der Polizei erhalten. Im schlimmsten Fall findet allerdings eine Durchsuchung der Praxis und der Privaträume der beschuldigten Ärzte statt. In jedem Fall ist es ratsam, so früh wie möglich Kontakt zu einer auf das Medizinstrafrecht spezialisierten Kanzlei aufzunehmen und sich umfassend rechtlich beraten zu lassen. Durch eine frühe Intervention kann das Verfahren strategisch gelenkt werden, um so möglichst strafrechtliche Folgen und schon die Durchsuchung zu vermeiden. Daneben ist es das Ziel, Publizität abzuwenden und die Reputation sowie das berufliche Fortkommen zu schützen.

Spezialisiert im Medizinstrafrecht

Unsere Kanzlei in Hamburg ist auf Arztstrafrecht sowie Medizinstrafrecht spezialisiert. Rechtsanwalt Dr. Frédéric Schneider ist Lehrbeauftragter für Medizinstrafrecht an der Europa-Universität Viadrina und hat überdies bereits zahlreiche Vorträge zu Themen im Arzt- und Medizinstrafrecht gehalten.

Rechtsanwalt Dr. Benedikt Mick ist zudem Fachanwalt für Strafrecht und hat in der Kanzlei bereits häufig Ärzte und Zahnärzte beraten. Alle Rechtsanwälte unserer Kanzlei bilden sich überdies regelmäßig im Medizinstrafrecht fort und haben das Problem des sog. Upcodings schon früh erkannt.

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